|
[17] Rasend am Altar des Feuers
Ormuzd Priester war geworden;
Aber als der Morgen helle
Gülden aus dem Osten blickte,
Kehrte Ruh in seine Seele.
Laut rief er dem Opferknaben:
»Siehe wie der Morgen pranget.
Licht hat endlich obgesieget,
Siegend werden nie zur Erde
Wieder sich die Schatten senken.«
Trost erfüllet sprachs der Alte,
Kniete nieder am Altare,
Betend auf zum Gott de Lichtes
Preißend ihn, des frohen Sieges,
Angethan in hellen Kleidern
Zwölf der Stunden täglich feiern.
Aber als die Zwölf im Weste
Trübe sich begunt zu färben,
Leis verglomm im Abendstrahle,
Ormuzd Priester ward da stille,
Sorgend blickt er auf zum Himmel
Forschend was die Zeit gewähre. –
Dunkel kam heran geschritten,
Zagend streift es, blaß und ängstlich,
Muthig ward's dann, dehnt sich mächtig,
Wuchs und deckt mit Riesengliedern
Siegreich bald die niedren Thäler,[17]
Reiht sich um den Stern des Tages,
Drängt ihn hastig hin zum Weste. –
Ormuzd Priester rief der Sonne,
Tapfer sich im Kampf zu zeigen,
Heftig rief er, Wahnsinn betend.
Aber das Gestirn des Lichtes
Bettet sich im Weste stille.
Rasend, zitternd, sah's der Alte
Raffte sich empor vom Boden
Eilte nach dem nahen Meere. –
Glänzend aus der Fluthen Spiegel
Luna kam heraufgeschritten;
Feucht ihr Haar, vom Meer noch träuflend,
Thaubeglänzet ihre Wange,
Blickte sie zur Erde nieder.
Da ergrimmte Ormuzd Priester,
Nahm den Bogen, nahm die Pfeile,
Eilte zu des Felsen Gipfel,
Achtet nicht der schroffen Höhe,
Drunten nicht des Meeres Brausen,
Nimmt der Pfeile schärfsten, zielet
Hoch zum Mond, dem Herz der Nächte;
Schwirrend reißt ihn da die Senne
Seines Bogens hin zur Tiefe,
Sterbend büßt er sein Erkühnen. –
Mitleidsvoll ihm Mitra lächlet;
Aber gütig nimmt das Dunkel
Auf in seinem heil'gen Schooße
Freundlich den verirrten Kranken,[18]
Daß im Arm der Mitternächte
Schweren Wahnsinns er genese.
Buchempfehlung
»Es giebet viel Leute/ welche die deutsche poesie so hoch erheben/ als ob sie nach allen stücken vollkommen wäre; Hingegen hat es auch andere/ welche sie gantz erniedrigen/ und nichts geschmacktes daran finden/ als die reimen. Beyde sind von ihren vorurtheilen sehr eingenommen. Denn wie sich die ersten um nichts bekümmern/ als was auff ihrem eignen miste gewachsen: Also verachten die andern alles/ was nicht seinen ursprung aus Franckreich hat. Summa: es gehet ihnen/ wie den kleidernarren/ deren etliche alles alte/die andern alles neue für zierlich halten; ungeachtet sie selbst nicht wissen/ was in einem oder dem andern gutes stecket.« B.N.
162 Seiten, 8.80 Euro